Sommer-Workshop des Stiftungsrates mit Experten

«Ein Politamt dauert vier Jahre, eine PK hat einen Planungshorizont von 50 Jahren»,

sind sich Emmanuel Vauclair, Martin Roth, Stéphane Rossini und Piero Cereghetti einig.

Das 20-Jahr-Jubiläum der Pensionskasse SRG SSR ist Grund genug, im Rahmen des Sommer-Workshops des Stiftungsrates mit Experten einen Blick zurück, aber auch nach vorne zu werfen. Während der Geschäftsführer Emmanuel Vauclair auf wichtige Meilensteine in der Vergangenheit mit Anekdoten eingeht, teilen der ASIP-Präsident sowie der BSV-Direktor ihre Sicht in Bezug auf die Herausforderungen in der 2. Säule mit.

Danksagung und Einleitung

Nach der Begrüssung und Danksagung durch den PKS-Präsidenten, Piero Cereghetti, erwähnt dieser die Herausforderungen seit der Gründung der heutigen PKS wie zum Beispiel die aufgrund der Finanzkrise 2008 erforderlichen Sanierungsmassnahmen und der Primatwechsel 2014 nach einer Urabstimmung unter den Versicherten.

PKS-Präsident Piero Cereghetti: «Der Primatwechsel 2014 mit Urabstimmung unter den Versicherten war eine gross angelegte Übung.»

Referat «Rückblick auf die 20-jährige Geschichte der PKS» von Emmanuel Vauclair

Anfänglich wurden nach Gründung der Pensionskasse der Schweizerischen Rundspruch-Gesellschaft 1944 erst die fest angestellten Radio-Mitarbeitenden versichert, so die anschliessende Einleitung des PKS-Geschäftsführers Emmanuel Vauclair. Sie mussten zwischen 20 und 45 Jahre – beziehungsweise als Frau 40 Jahre – alt sein und ein Gesundheitsattest vorlegen können. Ältere Mitarbeitende wurden zwar ebenfalls fürs Sparen versichert, aber für die Hauptversicherung von der «Winterthur» erst zugelassen, wenn sie die fehlende Beitragsjahre selbst finanziell durch einen Einkauf ausgleichen konnten. Die meisten mögen heute darüber schmunzeln, aber eine vor rund 70 Jahren berufstätige Frau durfte als Arbeitnehmerin keine eigenen Beiträge in ihre Vorsorgeeinrichtung mehr leisten, sobald sie sich verheiratete. Nora Kopyto Huguenin war die erste Frau, welche 1950 die Geschicke der damaligen Vorsicherungseinrichtung als «Administrateur de la caisse de pension autonome» lenkte. Gemäss Vauclair sei unklar, ob sie die eigene Versicherung wegen ihrer Heirat aufgeben musste.

Durch das Aufkommen des Fernsehens wurden ab 1958 auch TV-Angestellte versichert. 1968 sprachen sich die Versicherten für den Übertritt in die PK des Bundes (Publica) aus. Da die Pensionskasse über die Jahre immer grösser wurde, drängte sich die Frage nach einer eigenen Kasse wieder auf. Diese wurde schliesslich – nach einer erneuten Abstimmung unter den Versicherten – mit der Gründung am 12. September 2002 besiegelt.

Weitere Meilensteine aus der Chronik der PKS

PKS-Geschäftsführer Emmanuel Vauclair: «Bereits 1933 schloss die SRG einen zehnjährigen Gruppenversicherungsvertrag mit Tarifgarantie bei der Winterthur Lebensversicherungs-Gesellschaft ab.»

Referat «Aktuelle Lage der 2. Säule» von Martin Roth, Präsident ASIP

Martin Roth, Präsident des PK-Verbandes ASIP, geht am Anfang seines Vortrages auf die Eckdaten der 2. Säule ein. Heute gibt es 1389 Vorsorgeeinrichtungen, 1’159 Milliarden Franken PK-Vermögen, 4’477 Millionen Versicherte gegenüber 869’722 Rentner:innen. Und er fügt hinzu: «Viele PKs würden davon träumen nur 19 Prozent Rentner:innen zu haben». Verglichen mit den Kennzahlen von 2007 bestätige sich der laufende Konzentrationsprozess; damals waren es doppelt so viele (2543) Vorsorgeeinrichtungen und es war halb so viel Vermögen (605 Milliarden Franken) vorhanden wie heute.

Die Leistungen der 2. Säule sind immens: 2021 wurden 25 Milliarden Franken für Altersrenten, zwei Milliarden Franken für IV-Leistungen, vier Milliarden Franken für Hinterlassenen-Leistungen sowie elf Milliarden Franken für Alterskapitalien, also insgesamt 42 Milliarden Franken, ausbezahlt. Die Pensionskasse ist nicht nur bei der Pensionierung eine finanzielle Stütze, sondern auch in schwierigen Lebensphasen (Scheidung, Invalidität und Tod). Mit einem Schmunzeln im Gesicht meint Roth, dass das PK-Vermögen über 1159 Milliarden Franken noch eine Zeit lang reichen sollte.

Das Drei-Säulen-System ebenso das Milizsystem haben sich bewährt. In firmeneigenen Pensionskassen wie jener der SRG werde die Sozialpartnerschaft gelebt, so Roth, was bei Sammeleinrichtungen weniger möglich sei.

ASIP-Präsident Martin Roth: «Das Drei-Säulen-System ebenso das Milizsystem haben sich bewährt.»

Vorsorgekapital mit volkswirtschaftlich wichtiger Funktion

Das Vorsorgekapital hat auch volkswirtschaftlich eine wichtige Funktion. Das Total der angesparten Altersvermögen macht in der Schweiz knapp 160 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus. Der Beitrag ist nur in den Niederlanden und in Dänemark leicht höher. In den Nachbarländern beträgt das Kapital zwischen sechs bis elf Prozent des Bruttoinlandproduktes.

Die 2. Säule ist zum Bedauern von Martin Roth häufig auch ein politischer Spielball zwischen den Rechten und den Linken in der Politik. Die nationalrätliche Gesundheitskommission (SGK-N) überwies beispielsweise die Motion «Sichere Renten dank umfassend kompetenter Verwaltung der PK-Gelder» an den Bundesrat. Darin fordert sie mehr Anlagekompetenz in den Stiftungsräten, mehr Risikomanagement und mehr Verantwortung in der Anlagebewirtschaftung, insbesondere keine Limiten bei den Anlagekategorien. Da Politik wahlkampforientiert ist, wo nur ein Horizont von vier Jahren betrachtet wird, dient dies nicht gerade der Langfristigkeit und Stabilität des Säulensystems. Die 2. Säule wird auch als verführerischer Honigtopf zum Beispiel für Vermögensverwalter dargestellt. Die jährlichen Kosten der Vorsorgeeinrichtungen belaufen sich auf fast 6,8 Milliarden Franken, wovon die Vermögensverwaltung 5,1 Milliarden ausmacht. Diese Vermögensverwaltungskosten müsse man, so Martin Roth, auch im Verhältnis zur Rendite und zum Risiko betrachten. Eine Gratisverwaltung werde es nie geben.

Die grösste politische Herausforderung ist gegenwärtig die BVG-Reform, die Roth als Elefant im Raum bezeichnet. Es gibt einen Zielkonflikt zwischen fachlichen Aspekten und politischer Dimension.  Das Parlament hat grosszügige Ausgleichsmassnahmen für die Übergangsgeneration ausgestaltet, so dass 70 Prozent der Versicherten dieser Generation einen vollen Rentenzuschlag und 18 Prozent einen gekürzten Rentenzuschlag erhalten würden. Laut ASIP würden nur etwa 14 Prozent der Versicherten diesen Zuschlag benötigen, um das Rentenniveau nach der Reform zu halten. Immer wieder ein Thema sind auch die Zinsen und die Teuerung. Je nach Entwicklung müssen sich Stiftungsräte die Frage stellen, ob die gegenwärtigen technischen Zins- und Umwandlungssätze noch angebracht sind. Ein Umwandlungssatz von 6,8 Prozent setzt ein Zinsversprechen von vier Prozent voraus, was utopisch scheint. Weitere Herausforderungen sind das Datenschutzgesetz, bei dem Gesundheitsdaten besondere sensitive Daten darstellen, und das ESG-Regelwerk zur Bewertung der umfassenden Nachhaltigkeit von Unternehmen, in welche Pensionskassen investieren.


BAK-Studie 2022 zur Bedeutung von Pensionskassen

Der ASIP veröffentlichte 2022 eine Studie zum Alterseinkommen in der Schweiz im internationalen Vergleich. Die Armutsgefährdung existiert im schweizerischen System, ist aber deutlich tiefer als in den anderen Ländern. Vergleicht man die Einkommensquellen der Über-65-Jährigen mit jenen in anderen europäischen Ländern, so fällt auf, dass die Leistungen aus der Beruflichen Vorsorge (betriebliche Transfers) fast 30 Prozent in der Schweiz ausmachen. Ähnlich hoch ist es in Grossbritannien und sogar etwas höher in den Niederlanden, die noch ein etwas ausgeprägteres Drei-Säulen-System kennen. In Ländern wie Deutschland und Italien sind es lediglich fünf bis sechs Prozent und in Frankreich und Österreich gibt es gar keine betrieblichen Transfers. Vergleicht man die finanzielle Situation der Über-65-Jährigen, dann leiden zwei Prozent der Schweizer Rentner:innen unter materiellen Entbehrungen und quasi null Prozent unter erheblichen materiellen Entbehrungen. Im Gegensatz zu Italien, in denen 20 Prozent der Rentner:innen nicht in der Lage sind, drei bis vier grundlegende Bedürfnisse zu befriedigen.

Vorsorgekapital in Prozent des BIP

Zusammensetzung des Einkommens der Über-65-Jährigen

Finanzielle Situation der Bevölkerung über 65 Jahren im internationalen Vergleich


Referat «Welche Zukunft für die berufliche Vorsorge?» von Stéphane Rossini, Direktor BSV

Zu guter Letzt hält der Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV), Stéphane Rossini, einen Vortrag zur Zukunft der beruflichen Vorsorge. Er wäre gerne mit einem Geschenk gekommen, aber gegen die BVG-Reform wurde das Referendum ergriffen und man müsse nun die Abstimmung dazu abwarten, so Rossini in seiner Einleitung. 

Er bedankt sich für das Engagement der Kassen in einem Milizsystem. Das Milizsystem wurde für alle Bereiche der sozialen Sicherheit gebildet. Allerdings müsse man auch die starke Dezentralisierung in der Schweiz in Frage stellen. Für kommende Generationen sei es unverzichtbar, sich systemische Fragen zu stellen, worauf momentan niemand Lust habe. 

Inzwischen sei aus der sozialen Sicherheit «un super business» geworden, welches fast 30 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) ausmacht. Ohne Wohlstand gäbe es keine soziale Sicherheit, und ohne soziale Sicherheit gäbe es keinen Wohlstand.

In der 2. Säule müsse man sich wie in der 1. Säule denselben gesellschaftlichen Entwicklungen stellen, nämlich der immer älter werdenden Gesellschaft, den kleinen Einkommen, der Teilzeitarbeit sowie der Kinderbetreuung. Verglichen mit der Situation von 1985 steht heute das Gleichgewicht beider Säulen im Vordergrund: Wird zu viel Vermögen in der 2. Säule angesammelt? Müsste man nicht eher die 1. Säule fördern? Das System erfordert nicht nur die Klärung der Finanzierung, sondern auch der Effizienz. Deshalb stellt das Zusammenspiel aller unterschiedlichen Akteure in dieser komplexen Materie einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar. 

Stéphane Rossini erklärt, dass – auch wenn die AHV-Reform komplex sei – die AHV der Bevölkerung einfacher zu erklären sei als das BVG. Es sei schwierig eine leicht verständliche und allgemein gültige Botschaft zu formulieren, wenn jede Pensionskasse ein anderes Reglement habe. Die Folgen der Reform der BVG ebenso wie die Gerechtigkeit stellten ebenfalls ein Risiko dar. Ausserdem sei das Risiko «too big to fail» der immer grösser werdenden Sammelstiftungen im Auge zu behalten. Wie alle Rollen müsse auch jene der Aufsichtsbehörde überdacht werden. Mit den Worten «Die Aufgabe des BSV ist die nachhaltige Finanzierung aller Sozialversicherungen zu gewährleisten» schliesst der BSV-Direktor seine Rede.
 

BSV-Direktor Stéphane Rossini: «Es ist einfacher der Bevölkerung die AHV zu erklären als das BVG.»

Kernpunkte der BVG-Reform

Allerdings wurde das Referendum dagegen ergriffen.


Senkung des BVG-Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent

  • in einem Schritt
     

Rentenzuschlag für die Versicherten einer Übergangsgeneration

  • 15 Jahrgänge
  • Mit Vorsorgeguthaben bei der Pensionierung ≤ 441’000 Franken 
     

Verstärkung des Sparprozesses 

  • Eintrittsschwelle von 22’050 auf 19’845 Franken gesenkt
  • Koordinationsabzug in der heutigen Form abgeschafft. Neu sind 80 Prozent des Lohnes bis zur Höhe von 88’200 Franken obligatorisch versichert.
  • Altersgutschriften vereinfacht: nur noch zwei statt vier Stufen (9 Prozent für Alter 25 bis 44 Jahre und 14 Prozent für Alter 45 bis 65 Jahre).